Joels Probe

Der Fantasyroman 'Joels Probe' erschien im Juli 2016 als E-book. Er ist der zweite Teil einer Serie mit dem Titel 'Joels Lieder'. Der Roman kann hier bestellt werden.

Rahmen:

 

Der Roman spielt in einer Welt, die sich in einem Zeitenwandel befindet. Die Ewige Insel der Götter ist im Meer der Zeit verschollen, die Geister- und Dämonenwelt scheint gebannt. Die Alte Kunst - eine Mischung aus Magie und Alchimie - wird von der Neuen Kunst mit ihrem rationalistischen Weltbild und ihrer Wissenschaft abgelöst.

 

Inhalt:

 

Der Pferdebursche Joel steht vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Noch immer befindet er sich mit dem Straßenkind Erwenk in dem düsteren Wald von Mobent. Erwenk ist von dem Dämon Lluth, dem einstigen Gott des Scherzes und des Schabernacks, besessen , ohne selbst etwas davon zu wissen. Dunkle Mächte der Alten Zeit greifen durch Erwenk nach der Neuen Zeit, um sie zu vernichten. Das muss verhindert werden und zudem im Geheimen bleiben, um Erwenk nicht zu gefährden. Nun sind sie unterwegs zu dem einzigen noch intakten Ort, an dem Dämonen ausgetrieben werden können: dem Tempel von Aradimar.

Die Amazone Belharis, die das Orakel von Aradimar befragen will, hat sich ihnen angeschlossen. Sie bereitete Joel von Anfang an Schwierigkeiten. Als Erwenk unter dem Einfluss von Lluth sie und ihr Volk beleidigt, bedroht sie das Kind mit dem Tode, sollte soetwas noch einmal passieren. Doch wie kann Joel die Ausbrüche des Dämons und die Amazone stoppen?

Nachdem Joel in der Nacht eine tiefe innere Krise bewältigt hat, wacht er am nächsten Morgen gestärkt und voller Zuversicht auf. Er hat Frieden mit seiner Gabe einer besonderen Intuition geschlossen, die sein Lehrmeister Alek einen ›wabernden Geist‹ nannte und ablehnte. Nun kann Joel neue Kräfte freisetzen.

Die braucht er aber auch, denn der Wald von Mobent steckt voller Fallen. Das kleine Grüppchen läuft einer Räuberbande in die Arme – und die Amazone muss ihre Kampfkraft beweisen.

Joel gewinnt auf seinem weiteren Weg neue Helfer hinzu, trifft aber auch einen alten Feind: Erik, Herzog Bannos jüngsten Sohn, der Joel und Erwenk verfolgt. Und er ist noch gefährlicher geworden, denn auch er ist nun von einem starken Dämon besessen. Erik schneidet den Gefährten den Weg zur Straße ab, und so müssen sie durch das wilde Gebirge Rakir ziehen.

Ein riskanter Wettlauf zum Tempel von Aradimar beginnt.

 

Leseprobe:

 

Joel hörte es im Baum rascheln und wandte den Kopf. Ihm stockte der Atem. Erwenks Komeran-Haltung war wohl doch nicht so günstig. Um etwas sehen zu können, hatte er seinen Hals nach rechts gereckt, und so das Gleichgewicht verloren. Nun rutschte er langsam aber sicher an der Seite des Astes herab.

Joel streckte seinen Arm nach dem Jungen, um ihn zu stützen, aber er reichte nicht an ihn heran. Würden die Räuber es merken, wenn Joel zu dem Kind kletterte?

Aber diese Überlegung kam ohnehin zu spät. Erwenk hing nun unter dem Ast, ähnlich wie ein Faultier. Er konnte sein eigenes Gewicht nicht mehr halten – und stürzte hinab.

Erwenk fiel direkt auf den Räuberhauptmann. Der wurde von seinem Pferd geschleudert und landete unsanft im Gras.

Dafür saß das Kind jetzt auf dem Pferd, das entsetzt wieherte und stieg. »Hilfe, Hilfe«, kreischte Erwenk und klammerte sich an der Mähne fest. Das war nun endgültig zu viel für das Tier und es galoppierte gehetzt in den Wald. »Hilfe, Hilfe«, hörte man es unter den Bäumen verhallen.

Der Räuberhauptmann erholte sich überraschend schnell von seiner Verblüffung. »Du und du, auf den Baum! Durchsuchen!«, befahl er seinen Leuten, während er aufsprang. »Du und du, hinter dem Kerl her!«

Der ›Kerl‹ kehrte allerdings von alleine zurück. »Hilfe, Hilfe!« Die Rufe kamen wieder näher, samt wildem Hufgetrappel, gedämpft durch den weichen Waldboden.

Durch die Lücke, die Erwenk bei seinem Fall in die Äste des Baumes gerissen hatte, sah Joel, wie das Pferd heran gerast kam, auf seinem Rücken den hilflosen Reiter, der hin- und her geschleudert wurde, aber sich immer noch hielt.

»Ho, ho!« Mit den Armen wedelnd stellte sich der Räuberhauptmann dem Tier in den Weg, um es aufzuhalten – genau das Falsche, wie Joel wusste. Das Pferd scheute, stieg erneut, und traf mit einem Huf die Schläfe des Anführers, der ohnmächtig zu Boden ging.

»Hilfe, Hilfe!« wieder schoss das Pferd mit dem schreienden Erwenk in den Wald davon.

»Los, runter«, kommandierte Belharis.

»W...was?!«, stammelte Joel.

Belharis sprang. In einer fließenden Bewegung entledigte sie sich ihrer Taschen, zog ihre Waffen und landete federnd auf ihren Füßen. »Für Belisama, die Gerechte!«, schrie sie, und rammte dem nächst stehenden Räuber ihr Schwert in die Kehle, während sie einem zweiten ihre Streitaxt von der Schulter bis in die Brust trieb. Mit einem Ruck zog sie die Waffen aus den fallenden Körpern.

Joel war von der Amazone eher mitgerissen worden als dass er selber sprang und prallte wesentlich uneleganter mit dem Hosenboden ins Gras.

»Joel, los«, rief Belharis. »Die Pferde – die Schleuder.«

Joel begriff und rappelte sich auf. Zum Glück hatte er die Steine in der Hosentasche behalten. Ohne nachzudenken schoss er sie nun so rasch er konnte mit seiner Schleuder auf die Pferde. Die gerieten in Panik, wieherten und schlugen mit den Hufen um sich. Bei ihrer Flucht in den Wald trampelten sie einige Räuber nieder. Ein paar andere Banditen rannten laut fluchend den Tieren hinterher.

Nicht weniger Verwirrung herrschte unter den Räubern auf der Lichtung. Ihres Führers und damit klarer Befehle beraubt, starrten manche schreckensbleich auf die Amazone, wie sie unter ihren Spießgesellen wütete. Nur einzelne wendeten sich zum Kampf, allerdings ohne Sinn und Plan. Schon wollte eine allgemeine Fluchtbewegung einsetzen, da schrie einer: »Es sind nur zwei! Alle Mann gemeinsam auf sie!«

Belharis hieb und stieß sich weiter durch die Räuberbande, die nun ernsthaft gegen sie vorrückte. Joel sah, wie sie einem Mann, der mit einem Messer auf sie eindrang, den Arm abschlug. Eine Fontäne von Blut schoss aus dem Stumpf hervor und der Mann fiel um wie ein gefällter Baum.

Jegliche Plumpheit war aus dem Körper der Amazone gewichen. Geschmeidig tänzelte sie um ihre Gegner, fast spielerisch schwang sie ihre Waffen – aber mit tödlicher Sicherheit. Sie schien die Bewegungen ihrer Angreifer vorauszuahnen und für ihren eigenen Kampf zu nutzen. Ja, sogar im Hinterkopf schien sie Augen zu haben. Ein Räuber schlich sich mit erhobener Keule in ihren Rücken. Noch bevor Joel einen Warnschrei ausstoßen konnte, wirbelte Belharis ihr Schwert in der Faust herum. Sie schaute sich nicht einmal um, als sie dem Mann den Leib aufschlitzte.

Es rauschte in Joels Ohren als stünde er in einem tosenden Wasserfall. Weder der Kampfeslärm noch sein eigenes Geschrei drang zu ihm durch. Als er keine Steine mehr für seine Schleuder hatte, raffte er Zweige und Grasbüschel vom Boden auf, und warf sie nach den Räubern. Schließlich fiel ihm sein Messer ein. Wild fuchtelte er damit herum, als sei es ein Schwert, und stieß wüste Drohungen und Schimpfwörter aus.

Aber glücklicherweise kümmerte sich keiner so recht um ihn. Alle hatten sich auf Belharis gestürzt, in der sie die gefährlichere Gegnerin erkannten. Doch der Kampfesmut der Räuber erlahmte rasch. Zu viele von ihnen erlagen dem Wüten der Amazone. Gerade spaltete sie einem von ihnen den Schädel, da wandte sich der Rest der Bande wie ein Mann zur Flucht.

Joel brüllte hinter ihnen her: »Ja, rennt nur, ihr Söhne von Beutelkatzen, ihr falschen Hasen. Wir kriegen euch – wir kriegen euch alle!« Er wandte sich zu Belharis – doch sein Siegesgeheul blieb ihm im Halse stecken. Einer der Toten richtete sich auf.

Nein, es war gar kein Toter – es war der Anführer, der aus seiner Ohnmacht erwachte. Nur für einen Moment betrachtete er verwundert die Leichen seiner Leute. Sein Blick fiel auf Belharis, die schon wieder ihre bluttriefenden Waffen zückte. Sofort erfasste er die Lage, sprang auf und zog etwas hinter seinem Rücken hervor.

Joel erstarrte. Der Anführer der Räuber hatte einen Morgenstern. Das einzige, was gegen dieses mörderische Ding auch nur ein bisschen half, war ein doppelt geschmiedeter Schild. Und Belharis hatte nicht einmal einen einfachen. Und sie trug auch keinen Helm.

Für einen Moment blitzte in Joel das Bild der Amazone auf, wie sie mit zerschmettertem Gesicht auf der Lichtung lag. Belharis würde sterben, wenn er nichts unternahm!